Der Einstieg in den Kohleausstieg ist längst überfällig
05.02.2019 – Plenum
Hier könnt ihr das Video zu meiner Rede sehen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Als erstes großes Industrieland hat Deutschland einen Plan zum Ausstieg aus der Kohlekraft. Dieser Einstieg in den Ausstieg war längst überfällig; denn wir können nicht Energiewendeland werden wollen und gleichzeitig Kohleland bleiben.
Die erneuerbaren Energien sollen nicht als Beiwerk dienen oder als etwas Zusätzliches gesehen werden. Nein, es geht darum, die atomaren und die fossilen Energieträger vollständig zu ersetzen, um den Planeten für die nachfolgenden Generationen zu erhalten und die Klimakrise aufzuhalten. Der Bericht der Kohlekommission ist dafür eine ganz gute Grundlage; er muss jetzt auch von der Bundesregierung übernommen werden. Vor allem müssen die im Bericht festgelegten Überprüfungspunkte genutzt werden, um sicherzustellen, dass die Pariser Klimaziele tatsächlich erreicht werden.
Wir diskutieren derzeit landauf, landab über einen stärkeren Klimaschutz. Das sind nicht nur die Umweltorganisationen und die Klimabewegung, zu der auch wir GRÜNE gehören und ohne deren Druck dieser Plan zum Ausstieg aus der Kohlekraft so wahrscheinlich nie beschlossen worden wäre. Druck machen auch seit Monaten jeden Freitag Tausende von Schülerinnen und Schülern, die streiken und an die Politiker appellieren, stärkere Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen. Sie gehen für eine bessere Zukunft auf die Straße. Viele Hundert Unternehmen, auch in Hessen, haben sich zusammengeschlossen, um von der Politik konkretere Maßnahmen zum Klimaschutz zu fordern.
Wir müssen die Erderwärmung auf unter 2 Grad begrenzen, und deswegen brauchen wir eine ambitionierte Klima- und Energiepolitik.
Wenn wir auf die Energiepolitik der vergangenen fünf Jahre zurückblicken, können wir sagen, der Klimaschutz ist nun ein elementarer Bestandteil der Politik in Hessen. Wir haben eine Aufholjagd hinter uns, die noch lange nicht am Ende ist. Der Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor hat den stärksten Zuwachs zu verzeichnen; 2017 lag er bei knapp 20 %.
Wir haben uns zu Beginn der letzten Legislaturperiode das Ziel gesetzt, dass wir den Anteil erneuerbarer Energien bis 2019 auf 25 % verdoppeln. Und es sieht gut aus – die aktuellen Zahlen liegen noch nicht vor –, dass wir dieses Ziel am Ende der letzten Wahlperiode auch erreicht haben. Das ist alles nur möglich, weil sich Hessen der Energiewende klar verschrieben hat und politisch die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt wurden. Dazu gehört z. B. der Ausbau erneuerbarer Energien. Die Windkraft spielt in Hessen eine wichtige Rolle; und die Stromerzeugung durch Windkraft hatte 2017 einen Zuwachs von 300 MW.
Wenn man sich die Zahlen der Landesregierung ansieht, die im Energiewende-Monitoringbericht vorgelegt wurden, dann kann man feststellen: Wir haben immer mehr zugebaute Leistung durch immer weniger installierte Windkraftanlagen. Das verdanken wir dem enormen technologischen Fortschritt, der in diesem Bereich ganz besonders groß ist. Mit dem Zubau von Windkraftanlagen liegen wir im Ländervergleich auf Platz 4 – obwohl die Ausschreibungsbedingungen, die auf Bundesebene beschlossen wurden, unsere hessischen Mittelgebirgsregionen stark benachteiligen. Wir wollen aber eine dezentrale Energiewende, in der die Energie möglichst überwiegend dort produziert wird, wo sie verbraucht wird. Das heißt, die geplanten Sonderausschreibungen, die jetzt kommen sollen, müssen dazu führen, dass auch die Windenergie hier bei uns, in Hessen, im Binnenland, stärker profitieren wird.
Besonders erfreulich ist: Auch die Fotovoltaik verzeichnet nach zwei Jahren Rückgang bzw. Stillstand, auch aufgrund der Rahmenbedingungen des Bundes, wieder einen Zuwachs. Viele Hausbesitzer nutzen ihre freien Dachflächen wieder für den Klimaschutz und die eigene Energieversorgung.
Dann schauen wir einmal auf das, was für den Wirtschaftsstandort Hessen auch wichtig ist: die Zeit der Versorgungsunterbrechungen, die sogenannten Blackouts. Hierzu sehen wir in dem Bericht der Landesregierung: In Hessen gab es Versorgungsunterbrechungen von 9,13 Minuten pro Jahr. 9,13 ist der zweitbeste Wert; die zweitbeste Versorgungsqualität haben wir also in Hessen – und das trotz immensen Zubaus von erneuerbaren Energien, der das Netz ja unbestreitbar vor neue Herausforderungen stellt.
Sehr geehrte Damen und Herren, das zeigt auch deutlich, dass die Horrorgeschichten, die Behauptungen der Freien Demokraten und der vielen Energiewendegegner schlichtweg nicht haltbar sind. Die Versorgungssicherheit in Hessen bleibt weiterhin auf einem hohen Niveau.
Dennoch müssen wir den Fokus auch in Hessen weiter auf den Netzausbau und auf die Netzertüchtigung legen. Als Energieimporteur – d. h., wir verbrauchen in Hessen mehr Energie, als wir produzieren – ist Hessen natürlich ganz besonders auf gute Versorgungsstrukturen angewiesen. Dazu gehören auch die Gleichstromtrassen, die geplant sind, Ultranet und SuedLink, und die veränderten Rahmenbedingungen, die wir haben – also einerseits dezentrale und erneuerbare Einspeisestrukturen und andererseits eine veränderte Nachfrage, die beispielsweise durch Elektromobilität zustande kommt, aber auch durch die Digitalisierung, die es uns ermöglicht, dann Strom nachzufragen, wenn er gerade überschüssig am Netz ist. All das erfordert Veränderungen. Deshalb gab es die hessische Verteilnetzstudie, die die Bedarfe zur Netzertüchtigung aufgezeigt hat; und wir unterstützen, dass diese auch umgesetzt wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, die meisten CO2-Emissionen, nämlich knapp 40 %, kommen aus dem Verkehrsbereich. Deshalb sind die Vorschläge – das muss man an dieser Stelle auch sagen – der Verkehrskommission, die momentan tagt, unter anderem das Tempolimit, das ebenfalls gerade diskutiert wird, so wichtig. In Hessen zeigen wir, dass die Verkehrswende vorankommt: Wir haben das Schülerticket eingeführt. Wir stärken den ÖPNV und die emissionsarme Mobilität mit Fahrrad und E-Mobilität.
Man sieht durch die Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiebereich, welche Bedeutung der Kohleausstieg auch für Hessen hat: Die hessischen CO2-Emissionen sind im Jahr 2014 stark gesunken, als nämlich das größte hessische Kohlekraftwerk überwiegend stillstand, was immer immense Auswirkungen auf die hessischen CO2-Emissionen im Strombereich hat. Das heißt: Wer A sagt, muss auch B sagen, wer klimafreundlichen erneuerbaren Strom will, der muss natürlich gleichzeitig aus der Kohleverstromung aussteigen.
Sehr geehrte Damen und Herren, Investitionen in erneuerbare Energien sind Investitionen in die Zukunft. Auch die hessische Wirtschaft sieht das so und investiert in Energieeffizienz und in Energieeinsparung – obwohl die Rohstoffpreise am Weltmarkt aktuell gerade nicht überdurchschnittlich hoch sind. Anders gesagt: Die Unternehmen investieren in Energieeffizienz, weil sie davon überzeugt sind, dass das zukunftsfähige Investitionen sind.
Interessant sind auch die positiven Beschäftigungseffekte; vor allem der Ausbau der Windenergie ist ein wahrer Jobmotor für Hessen. 17.630 Personen waren im Jahr 2016 im Bereich erneuerbarer Energien beschäftigt. Dabei ist nicht hinzugerechnet, welche indirekten Beschäftigungseffekte es gibt, z. B. durch die energetische Sanierung, die auch Auswirkungen auf das Bauhandwerk hat. Das zeigt: Die Energiewende ist nicht nur gut für das Klima, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Hessen.
Klar ist aber auch: Wir brauchen eine Verkehrswende zu emissionsärmerer Mobilität – das Tempolimit habe ich angesprochen –; und wir müssen die CO2-Emissionen in den Bereichen Haushalt, Gewerbe und Industrie senken. Alle Anstrengungen, die dort nicht erfolgen, müssen im Energiebereich zusätzlich erbracht werden.
Der aktuelle Bericht der Landesregierung zeigt: Hessen kommt gut voran bei der Energiewende. Der Ausbau erneuerbarer Energien steigt, die Energieeffizienz nimmt zu, und davon profitieren das Klima und die Wirtschaft. Der Einstieg in den Kohleausstieg gibt zusätzlichen Schwung. Diesen sollten wir nutzen, um weiter daran zu arbeiten, die Energiewende in Hessen voranzutreiben. – Vielen Dank.
Auszug aus dem Plenarprotokoll der 2. Sitzung, S.54 – 56