11. Juli 2024

Wirtschaftspolitik ist in Hessen weiterhin Mangelware

Meine Rede zum Antrag der Fraktion der Freien Demokraten: „Wirtschaftspolitik ist in Hessen weiterhin Mangelware – 12 Forderungen zur Einleitung der Wirtschaftswende“

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn es in der Wirtschaft nicht rundläuft, dann klingt das erst einmal technisch und sehr weit weg, aber es betrifft letztendlich uns alle, weil sich das Schwächeln der Wirtschaftsleistung nicht nur auf die Unternehmen aus-wirkt, sondern auf alle Menschen, auch in Hessen. Das betrifft die steigenden Mieten – die Diskussion hatten wir heute Morgen –, den Urlaub, der nicht mehr gemacht werden kann, die öffentlichen Haushalte, die unter Druck stehen, oder zum Beispiel auch die Festivalbesuche, die jungen Menschen einfach zu teuer werden.
Zur Ehrlichkeit gehört auch, zu benennen, woher die wirtschaftlichen Schwierigkeiten kommen. Der Grundstoff unserer wirtschaftlichen Entwicklung war jahrzehntelang billiges Gas aus Russland. Wir haben uns damit von einem autoritären russischen Regime sehr abhängig gemacht und dafür in den letzten Jahren extrem teuer bezahlt – das alles unter CDU-geführten Bundesregierungen. Auch die SPD war immer dafür, die Abhängigkeit von Russland weiter zu erhöhen. Aber es würde vor allem der CDU gut anstehen, diesen Zusammenhang, zumindest rückblickend, einmal zu benennen und hier auch ganz klar die Verantwortung zu übernehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die wirtschaftliche Situation ist noch immer keine einfache. Es sind noch immer die Nachwirkungen der Energiekrise zu spüren. Gleichzeitig stecken wir schon mittendrin in dem großen Umbau dieses Landes, damit wir einerseits dauerhaft wettbewerbsfähig bleiben können und gleichzeitig klimaneutral werden. Da-her ist es erst einmal gut, dass sich die Bundesregierung auf einen Haushalt einigen konnte und damit gezeigt hat, dass es den Ampelparteien in Berlin, gerade bei diesen Schwierigkeiten, zuallererst um dieses Land geht. Zusammen mit dem Haushalt wurde ein Dynamisierungspaket für die Wirtschaft vorgelegt, das das Potenzial hat, das Wirtschaftswachstum in Deutschland und auch in Hessen wieder zu steigern. Dazu gehört eine weitere Entlastung von energieintensiven Unternehmen, damit sie eben nicht aufgrund des hohen Energiebedarfs abwandern. Dazu gehören Rahmenbedingungen für den Bau und für den Betrieb von Stromspeichern, Steuerentlastungen, eine Reform des Vergaberechts, der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien – auch das ist ganz wichtig; und das hat vor allem, erfreulicherweise, auch Christian Lindner als ganz zentrale Aufgabe vorgestellt – und natürlich das Thema Bürokratieabbau. Das alles sind Eckpunkte des Dynamisierungspaketes. Der Kollege Naas hat es gesagt. Das zeigt, die Ampel hat vorgelegt. Die Ampel hat gezeigt, was gemacht werden kann.

Nun muss man sich fragen: Was macht eigentlich die Hessische Landesregierung? Das Letzte, woran man sich erinnert, ist die Blockade des Wachstumschancengesetzes im Bundesrat, und zwar aus parteitaktischen Gründen. Wenn es der CDU dieses Mal wirklich ernst ist und wirklich um die Sache geht, dann müssen Sie dieses Wachstumspaket unterstützen. Die hessische Wirtschaft muss sich darauf verlassen können, dass sie die Unterstützung der Landesregierung hat. Aber auch sonst sucht man die angekündigte aktive Wirtschaftspolitik eher vergeblich. Der Transformationsfonds lässt weiter auf sich warten. Nach all dem, was man hört, wird es vermutlich auch eher ein Topf für alle und eine große Gießkanne werden, anstatt wirklich Geld ganz gezielt für die Transformation bereitzustellen. Der kosten-lose Meister ist nicht, wie versprochen, kostenlos. Auch das haben wir schon häufig gesagt. Das Hessengeld ist ebenfalls ein teures Wahlkampfgeschenk und wird null, überhaupt nicht dazu beitragen, die Bauwirtschaft in Hessen wieder anzukurbeln, obwohl das so dringend nötig wäre.
Dann zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Frau Kollegin Barth, ich fand es sehr gut, was Sie dazu gesagt haben. Aber der Windkraftausbau, der jetzt überall Fahrt aufnimmt, soll jetzt wieder ausgebremst werden. Dann kommt hinzu, dass im Nachtragshaushalt beim Wirtschaftsministerium über 30 Millionen Euro gekürzt werden sollen. Meine Damen und Herren, wirksame aktive Wirtschaftspolitik sieht anders aus.

Der Fachkräftemangel ist das Thema in den Betrieben. Auch am Dienstag beim Treffen mit den Handwerkern war es die größte Sorge: fehlender Nachwuchs, fehlende Arbeitskräfte. Ich habe es hier schon einmal vorgerechnet, wir haben gerade ein Wirtschaftswachstum von rund 1 % in Hessen. Gleichzeitig sind in Hessen rund 80.000 Stellen unbesetzt. Wenn wir im Moment bei 1 % Wachstum 80.000 Stellen unbesetzt haben, dann wird es bei 2 oder 3 % Wachstum, was wir uns alle wünschen, doch ganz deutlich: Ohne Fachkräfte, ohne Arbeitskräfte wird das nichts werden. Daher ist es eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen, den Fachkräfte- und den Arbeitskräftemangel anzugehen.
Dazu gehören mehr Erzieherinnen und Erzieher – auch darüber haben wir heute Morgen schon diskutiert –, damit insbesondere mehr Frauen, die deshalb zu Hause bleiben, auch mehr arbeiten können, wenn sie es möchten. Aber auch hier liefert die Landesregierung nicht. Im Gegenteil: Die vergüteten Ausbildungsplätze, die es gibt, stehen in Zukunft weniger den Erzieherinnen und Erziehern zur Verfügung. Dazu gehören auch schnellere Einwanderungsmöglichkeiten, gut funktionierende und schnelle Behörden. Aber auch die Menschen, die hier sind, müssen schneller in Arbeit gebracht werden. Meine Damen und Herren, wir können es uns schlicht nicht leisten, das Potenzial von inländischen und ausländischen Fach- und Arbeitskräften weiterhin so ungenutzt liegen zu lassen.

Dann das wichtige Thema: Bürokratieabbau. Ich glaube, keiner hier widerspricht diesem Anliegen. Es ist gut, dass die Bundesregierung das angeht. Vor allem das Bundeswirtschaftsministerium hat mit den sogenannten Praxischecks gezeigt, dass es funktionieren kann. Hier wird sich also Bereich für Bereich ganz genau angeschaut und geprüft, welche Prozesse man straffen kann, welche Regeln sinnvoll sind und was gestrichen werden kann. Diese Praxischecks sind hoch gelobt in der Wirtschaft, in den Behörden, in den Unternehmen, weil sie funktionieren, weil sie unmittelbar eine Verbesserung zeigen und Unternehmen, Behörden und Privatpersonen direkt entlasten. Am Beispiel der erneuerbaren Energien haben wir das im letzten Jahr auch gesehen: weniger Meldepflichten, kürzere Fristen, einfachere Netzanschlüsse usw. Das alles hat dazu geführt, dass sich der Ausbau der erneuerbaren Energien massiv beschleunigt hat. Das ist gut so, meine Damen und Herren. Wir sehen also: Es geht. Bürokratieabbau in Deutschland ist tatsächlich möglich, wenn man es richtig anpackt. Aber, was die FDP hier vorgeschlagen hat – Normenkontrollrat, oder: „one in, one out“ war auch schon einmal ein Vorschlag –, und alle weiteren Vorschläge, die es in der Vergangenheit schon gab, haben noch nie eine spürbare Verbesserung der Situation gebracht.
Auch ein Ministerium für Bürokratieabbau baut noch keine Bürokratie ab, sondern es schafft erst einmal mehr Bürokratie. Dabei brauchen wir gerade bei dem Thema Bürokratieabbau weniger markige Worte, kein neues Ministerium, sondern vielleicht einfach einmal Praxischecks, auch in Hessen.

Ich will zum Schluss noch ein paar Worte zu dem FDP-Antrag sagen. Es ist schon sehr amüsant, dass sich die FDP so windet und so sträubt, die Worte „Energiewende“ und „Verkehrswende“ in den Mund zu nehmen. Jetzt aber soll die Wirtschaftswende kommen. Tatsächlich finde ich die Bezeichnung „Wirtschaftswende“ auch sehr gut; denn ich finde auch, eine echte Wirtschaftswende muss kommen. Das bedeutet, dass wir alles dafür tun müssen, dass sich die Unternehmen in Hessen diesem neuen Weltmarkt, vor dem wir stehen, stellen können, bei dem Klimaschutz, Energieeffizienz, Klimaneutralität und faire Bedingungen nachgefragt werden und auch der Standortwettbewerb wesentlich härter werden wird. „Wirtschaftswende“ ist dafür ein guter Begriff. Wir nehmen ihn gerne auf. Im Gegensatz dazu biete ich nach wie vor „Energiewende“ und „Verkehrswende“ an. Vielleicht wäre das auch einmal eine Idee.
Aber von dem Wort abgesehen, ist Ihr Antrag ein wildes Sammelsurium von sehr unkonkreten Aussagen. Ein paar Beispiele: Es sollen Förderprogramme gestrichen werden. Aber dann haben Sie keinen Mut, zu sagen, welche denn genau. Sie wollen keinen Transformationsfonds. Das haben Sie auch gesagt. Aber Sie haben noch immer keine Antwort darauf gegeben, wie wir denn ansonsten in einem globalen Subventionswettbewerb standhalten können; denn das ist nun einmal die Aufgabe, vor der wir stehen. Das ist kein „Wünsch dir was“, sondern mit dieser Aufgabe müssen wir umgehen, und darauf ist ein Transformationsfonds, wenn er richtig gemacht wird, die richtige Antwort.
Es gäbe noch mehr Punkte aus diesem Antrag zu kritisieren, aber ich will am Ende noch einmal auf ein wichtiges Thema eingehen. Das ist die soziale Infrastruktur. Das sind die Hochschulen, die Schulen, und das ist die Bildungspolitik. Deshalb kritisiert auch die Wirtschaft die Kürzungen im Bildungsbereich in diesem Nachtragshaushalt. Die Streichung von 200 Lehrerstellen im aktuellen Haushalt ist der falsche Weg. Besonders unsere Universitäten sind doch wertvolle Orte der Innovation und bringen viele Start-ups hervor. Wir haben doch in den letzten Jahren immer gemeinsam dafür gekämpft, dass Hessen als Start-up-Standort weiter nach vorne kommt. Aber Ihr Streichkonzert, das Sie gerade an den Hochschulen durchführen, wird fatale Folgen für die Innovation in diesem Land haben.

Ich komme zum Schluss. – Ohne Zweifel brauchen wir gute Rahmenbedingungen, damit eine Wirtschaftswende zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft gelingen kann. Dafür müssen wir die Energiewende weiter voranbringen. Dafür brauchen wir einen ernsthaften Bürokratieabbau, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und keine Koalition der Hessenbremse. – Vielen Dank.

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