Das Video mit meiner Rede findet ihr hier ab Minute 08:10.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!
Wir sprechen heute wieder über den hessischen Mittelstand und über den Vorschlag der SPD-Fraktion zur Änderung des hessischen Mittelstandsgesetzes. Daher möchte ich zunächst betonen, dass es wichtig und grundsätzlich begrüßenswert ist, dass der hessische Mittelstand auf die Agenda gesetzt wird. Ich habe bereits in der vergangenen Debatte darauf hingewiesen, welch große Bedeutung der Mittelstand
in Hessen hat. Die kleinen und Kleinstunternehmen machen einen Großteil der hessischen Arbeitsplätze aus. Deshalb ist es gut, das auch einmal zum Gegenstand der Debatte zu machen.
Die Gesetzesänderung, die die SPD vorschlägt, ist allerdings nicht praktikabel und nicht zielführend mit Blick auf das, was Sie als Ziele angeführt hat. Außerdem führt das an den Bedürfnissen des hessischen Mittelstandes vollkommen vorbei. Das hat die Anhörung sehr deutlich gezeigt. Deshalb werden wir die Vorschläge ablehnen.
Die Intention ist tatsächlich gut gemeint. Der Gesetzentwurf sieht vor, Unternehmen eine höhere Förderung zu zahlen, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Diese Kriterien sind: Tarifbindung, Betriebsräte, keine Leiharbeit und weitere Kriterien. In der Praxis – das haben die Anzuhörenden bestätigt – ist die Bindung an diese Kriterien völlig unpraktikabel. Der zentrale Kritikpunkt der Anzuhörenden war die Überfrachtung des Antragssystems. Wir sprechen alle – auch Sie, Herr Eckert – vom Bürokratieabbau. Das ist für den Mittelstand und insbesondere für die kleinen und kleinsten Unternehmen sehr wichtig. Mit solchen umfangreichen Kriterien, die abgeprüft werden müssen, machen wir ein solches Antragsverfahren viel komplexer, viel umfangreicher und vor allem mit viel mehr Nachweispflichten verbunden. Das
wird am Ende nicht dazu führen, dass mehr Unternehmen mehr Betriebsräte haben, sondern, im Gegenteil, es werden weniger Unternehmen Fördermittel beantragen. Das ist doch nicht Sinn der Sache.
Das hat auch die IHK in der Anhörung klargestellt. Sie sagen, dass der Nachweis der einzelnen vorgeschlagenen Kriterien zu einem erheblichen zusätzlichen Aufwand führen würde, wobei der Aufwand bei den kleinen Unternehmen, die eher kleinere Förderbeträge beantragen, erheblich größer ausfällt als bei den größeren Mittelständlern. Das heißt, dass diejenigen aus der Förderung ausgeschlossen sind, für die die Fördermittel elementar wichtig sind. Das wollen wir nicht. Die hessischen Wirtschaftsfördermittel
sollen für alle möglichst gleich niedrigschwellig beantragbar sein, und das soll auch so bleiben.
Ein weiterer Kritikpunkt, der auch in der Anhörung genannt wurde, war, dass die Förderung gerade in Krisenzeiten, wie wir sie gerade erleben, eine wichtige Unterstützung für die Unternehmen ist. Eine hohe Nachfrage gesehen haben wir beispielsweise während der Corona-Pandemie, aber auch während der Energiekrise. Das sind Situationen, die Unternehmen nicht selbst verschuldet haben und in denen sie mehr Unterstützung benötigen als in anderen Zeiten. Gleichzeitig kann niemand in einer solchen Krisenzeit verlässlich sagen, alle Arbeitsplätze beibehalten zu können. Außerdem kann keine Steigerung
der Lohnsumme garantiert werden. Wenn das nicht erfüllt wird, dann muss – so der Vorschlag
der SPD – eine Strafe von 30 % gezahlt werden. Das ist doch völlig realitätsfern. Das führt doch nicht dazu, dass die Unternehmen, die die Förderung eigentlich bräuchten, diese auch beantragen. Vielmehr haben diese Unternehmen Angst vor der Strafe. Das ist viel zu riskant, insbesondere in Krisenzeiten. Es wird also genau das Gegenteil erreicht. Im schlimmsten Fall führt der fehlende Zugang zu Fördermitteln
zu einem kompletten Wegfall der Arbeitsplätze, und das können wir alle nicht wollen. Daher ist der Vorschlag gut gemeint, aber sehr schlecht gemacht.
Immer wieder sprechen wir uns parteiübergreifend dafür aus, Hessen zu einem noch stärkeren Start-up-Standort zu machen. Die Stellungnahme des Startup-Verbandes liest sich ganz anders, als Sie hier soeben zitiert haben. Darin wird sehr deutlich, dass die Kriterien, die die SPD in ihrem Gesetzentwurf vorschlägt, Start-up-feindlich sind. Dabei ist doch klar, dass Start-ups der Mittelstand von morgen sind.
Natürlich können junge Unternehmen, die Risikokapital beantragen und die neu am Markt sind, nicht gewährleisten, in fünf Jahren noch am Markt zu sein oder in fünf Jahren eine Wachstumsprognose erreicht zu haben. Solche Firmen können auch keine langfristigen Arbeitsplatzgarantien aussprechen. Daher würde diese Gesetzesänderung den Start-ups, die wir in Hessen haben wollen, den Zugang
zur Mittelstandsförderung verwehren. Das kann doch nicht Ziel dieses Gesetzesvorschlags sein.
Ja, wir sind uns in den Zielen einig. Es ist richtig, dass wir mehr Tarifbindung brauchen, dass Unternehmen Mitbestimmungsprozesse haben, dass angemessene Löhne gezahlt werden müssen, dass Firmen ausbilden, dass keine Kettenbefristungen stattfinden, usw. Man muss aber auch einmal die aktuelle Arbeitsmarktsituation in den Blick nehmen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind in einer sehr starken Position, sodass sie diese Kriterien im Rahmen der Tarifautonomie auch gegenüber den Arbeitgebern durchsetzen können. Vor 20 Jahren war die Situation noch anders. Da hatten
wir eine sehr hohe Arbeitslosenquote. Damals musste ein Arbeitgeber nicht sonderlich attraktiv sein. Das ist heute aber anders. Das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern, weil die demografische Entwicklung so ist, wie sie ist.
Aktuelles Problem des Mittelstandes ist die Besetzung freier Stellen. Das gilt nicht nur für Fachkräfte, die schwer zu finden sind, sondern das gilt auch für normale Arbeitskräfte, die in der Vergangenheit oft Opfer niedriger Löhne, von Befristungen usw. waren. Das ist heute anders. Das ist auch in den Statistiken erkennbar. Der Niedriglohnsektor geht zurück. Arbeitsuchende haben heute wesentlich mehr
Auswahl. Die Arbeitgeber müssen sich Gedanken um ihre Attraktivität machen. Das ist grundsätzlich eine gute Entwicklung. Hessen ist in diesem Bereich nicht untätig. Wir haben entsprechende Instrumente gesucht und gefunden und setzen diese auch um. Das zeigt z. B., dass wir das Tariftreue- und
Vergabegesetz reformiert haben. Dadurch haben wir die Einhaltung von Tariflohn erstmals wirklich kontrollierbar gemacht. Mitbestimmung und Tariflöhne sind unzweifelhaft wichtig. Die Entwicklung, dass der Niedriglohnsektor in Hessen zurückgeht, ist sicherlich eine gute Entwicklung und sollte auch so fortgesetzt werden.
Abschließend möchte ich auf den Hessischen Mittelstandsbericht aufmerksam machen, der frisch erschienen ist. Er kommt alle zwei Jahre heraus. Es lohnt sich wirklich, da einmal hineinzuschauen, weil dieser einen sehr guten Einblick in die Situation des hessischen Mittelstandes gibt, und zwar von der Frage der Fachkräfte über die Situation während Corona bis zur Inanspruchnahme der Förderprogramme.
Darin steht auch klar, dass der Mittelstand für Arbeits- und Ausbildungsplätze sorgt. Jeder zweite Arbeitsplatz in Hessen befindet sich in einem mittelständischen Betrieb. In den Städten, den Kommunen und in den Landkreisen sorgt vor allem der Mittelstand für die regionale Wertschöpfung. Ich denke, wir sind uns einig, dass wir den Mittelstand auch weiterhin in den Mittelpunkt unserer wirtschaftspolitischen
Anstrengungen stellen werden. Daran arbeiten wir, daran arbeiten die anderen Fraktionen, daran arbeiten das Wirtschaftsministerium und das Sozialministerium. Das ist ein guter Weg, und daher brauchen wir diesen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht.
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