Hier findet ihr das Video zu meiner Rede (ab Minute 08:58)
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!
Zunächst begrüße ich, dass sich die FDP jetzt offensichtlich auch um das Thema CO2-Reduktion kümmert. Das ist wichtig; denn, nachdem Sie sich offensichtlich von den Zielen des Hessischen Energiegipfels verabschiedet hatten, scheinen Sie jetzt endlich erkannt zu haben, dass wir auch in Hessen klimaneutral werden müssen. Dafür spielt grüner Wasserstoff eine entscheidende Rolle, z. B. bei der Frage klimaneutraler Chemieparks, die nicht länger auf der Basis von Erdgas oder Erdöl produzieren, für den Luftverkehr oder für Schienenstrecken, die nur mit erheblichem Aufwand elektrifizierbar sind. Für die Industrie in Hessen und vor allem für die Verkehrswende bietet der Einsatz von Wasserstoff eine riesige Chance.
Aber Sie erkennen auch in Ihren Gesetzentwurf nicht, dass Wasserstoff per se nicht klimaneutral ist. Das ist nur der
Fall, wenn er grün hergestellt ist und aus 100 % erneuerbaren Energien produziert wurde. Ich habe mir den Gesetzentwurf ganz genau durchgelesen und kann sagen: Sie verlieren darin kein Wort darüber, woher der Wasserstoff
kommen soll. Sie sagen jetzt, dass alles importiert werden solle, aber dadurch machen Sie es sich äußerst einfach;
denn die Probleme, die wir dadurch hier vielleicht nicht haben, verlagern sich an andere Orte. In anderen Ländern
muss die Energiewende genauso vorangetrieben werden. Davor können wir hier nicht einfach die Augen verschließen.
Vor diesem Hintergrund ist Ihr Gesetzentwurf Augenwischerei. Sie versuchen, sich dadurch irgendwie ein klimapolitisches Profil zu bauen, und wollen davon ablenken, dass Sie vor Ort nach wie vor jedes Windrad bekämpfen.
Wer Wasserstoff fordert, der muss auch die Windkraft ausbauen. Das haben auch die Umweltverbände erkannt und durchschaut. Der BUND Hessen hat Ihren Gesetzentwurf gelesen und bewertet. Er bezeichnet ihn als „Luftnummer“.
Der Gesetzentwurf – ich zitiere – „lässt an der energiewirtschaftlichen Kompetenz der FDP erheblichen Zweifel aufkommen“. Wir brauchen, um Wasserstoff zu produzieren, ungefähr ein Drittel mehr grünen Strom, weil die Produktion von Wasserstoff so energieintensiv ist, dass wir einen Umwandlungsverlust haben, aufgrund dessen ungefähr ein Drittel verloren geht. Das heißt: Wenn Sie sich wirklich für die Festlegung eines Zielproduktionswertes für Wasserstoff aussprechen, müssen Sie auch sagen, woher der Wasserstoff kommen soll, sofern er nicht aus der Umwandlung von Windenergie stammt. Die Landesregierung arbeitet derzeit an der hessischen Wasserstoffstrategie. Dabei wird auch die Frage zu klären sein, welche Schwerpunkte wir in Hessen setzen. Wir haben hier lediglich einen Überschuss an grünem Strom je nach den Standorten der Windräder, aber wir werden hier nicht schwerpunktmäßig in die Produktion von Wasserstoff einsteigen können. Das wird anderswo passieren. Das wird eher im Norden, wo die Onshore-Windräder stehen, der Fall sein. Deshalb gilt es, hier den Einsatz des Wasserstoffs auf die Bereiche zu fokussieren, in denen die Chancen wirklich liegen. Das ist in Hessen ganz klar der Verkehrsbereich.
Synthetische Kraftstoffe im Luftverkehr sind sehr sinnvoll, weil Flugzeuge zu schwer sind, um sie direkt batterieelektrisch anzutreiben. Daher ist der Einsatz synthetischer Kraftstoffe auf der Basis von grünem Wasserstoff eine
Möglichkeit, den Luftverkehr zu dekarbonisieren. Daran wird auch in Frankfurt gearbeitet.
Auch das Projekt „H2anau – Wasserstoff bewegt“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie in Hessen vernetzte Wasserstoffexpertise aufgebaut und unterstützt wird, um dabei zu sein. Ein besonderes Projekt – sie haben vom Wasserstoffzug gesprochen – gibt es im Industriepark Höchst. Hier fällt bei industriechemischen Prozessen bereits jetzt Wasserstoff als Nebenprodukt an, sogenannter grauer Wasserstoff, der dann für die Betankung von Zügen genutzt wird, die im Taunusnetz fahren und dort die alten Dieselloks ersetzen. Das heißt, da wird auch sehr viel CO2 eingespart. Die Projekte, die ich beispielhaft genannt habe, zeigen schon, dass es nicht nur um den Wasserstoffeinsatz, sondern um die Verkehrswende geht. Sie suggerieren mit dem Gesetzentwurf, dass wir unseren kompletten Bedarf an fossilen Brennstoffen eigentlich nur durch Wasserstoff oder durch synthetische Kraftstoffe ersetzen müssten und damit – zack – mit einem Mal klimaneutral sind. Aber so einfach ist das nicht. Abgesehen davon, woher der Strom kommt, müssen wir auch Energie einsparen. Dafür ist die Verkehrswende ein wichtiges Projekt. Das bekommen wir aber nicht dadurch gelöst, dass wir Wasserstoff statt fossiler Brennstoffe in den Tank füllen, sondern wir müssen den ÖPNV ausbauen, wir müssen den Fernverkehr, die Rad- und Nahmobilität ausbauen sowie attraktiver machen. Dann muss man schauen, wie denn auch die Herausforderungen des Individualverkehrs gelöst werden können. Verschiedene Studien zeigen: Es ist nicht sinnvoll, dass wir über den Umweg von Wasserstoff alle Individual-Pkw betanken, sondern es ist viel effizienter,
dass man da auf die direkte Stromnutzung setzt.
All diese Fragen werden in Ihrem Gesetzentwurf nicht angesprochen. Er verspricht eine Förderung mit der Gießkanne.
Deshalb ist es richtig, dass an der hessischen Wasserstoffstrategie gearbeitet wird, um diese Fragen zu beantworten.
Wir wollen heute die Weichen nicht so falsch stellen, dass wir bei der Umstellung auf 100 % Erneuerbare nicht hinterherkommen und die Energiewende verschleppen oder dass wir am Ende noch viel mehr Stromleitungen bauen
müssen, weil wir den Strom aus dem Norden in den Süden transportieren müssen, da wir hier eine so große Wasserstoffproduktion aufgebaut haben. Das will keiner. Eine klare Fokussierung fehlt dem FDP-Gesetzentwurf. Sie
wollen einfach nur das eine durch das andere ersetzen und eigentlich weitermachen wie bisher. Wenn Sie etwas zur
Klimaneutralität beitragen wollen, hören Sie auf, den Bau jedes Windrads zu blockieren, hören Sie auf, die Verkehrswende zu verzögern, und betreiben Sie nicht solche Augenwischerei. Gut ist, dass wir in Hessen an einer Wasserstoffstrategie arbeiten, die die tatsächlichen Rahmenbedingungen in Hessen in den Blick nimmt, die von Anfang an auf erneuerbare Energien setzt und die Wasserstoff als einen wichtigen, aber nicht als den einzigen Baustein für ein klimaneutrales Hessen sieht. – Vielen Dank.
Kommentar verfassen
Verwandte Artikel
Erster Haushalt von Schwarz-Rot:
Rote Zahlen und schwarze Ideologie Mathias Wagner, Fraktionsvorsitzender und Miriam Dahlke, Parlamentarische Geschäftsführerin der GRÜNEN Landtagsfraktion: „Mit ihrem ersten Landeshaushalt verschärfen CDU und SPD die hausgemachte Haushaltskrise und richten im…
Weiterlesen »
Gewaltprävention und Opferschutz für Frauen dringend verbessern
Rund 20 Frauen trafen sich im Mehrgenerationenhaus Dippelmühle auf Einladung der GRÜNEN Landtagsabgeordneten Kaya Kinkel, um über die Sicherheit von Frauen, Opferschutz und Gewaltprävention zu sprechen. Im Podium informierten und…
Weiterlesen »
GRÜNE zur Lithiumproduktion in Hessen
Die schwarz-rote Landesregierung beweist Sinn für Humor: Im Verbrenner-Dienstwagen zur innovativen Produktionsanlage von grünem Lithium? Kaya Kinkel, Sprecherin für Wirtschaft der GRÜNEN Landtagsfraktion: „Wir brauchen heimisches und grünes Lithium für…
Weiterlesen »