12.12.2019 – Plenum
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP hat hier einen Antrag eingebracht, der mit viel Pathos die Wahrung demokratischer Grundrechte thematisiert. Allerdings zielt er ins Leere. Denn er suggeriert, dass die freie Meinungsäußerung im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten, explizit Windkraftprojekten, in Gefahr sei.
Aber hätten Sie sich einmal mit den tatsächlichen Angeboten der Landesregierung auseinandergesetzt, dann wäre Ihnen vielleicht auch aufgefallen, wie überflüssig der Großteil Ihres Antrags ist.
Es ist vollkommen absurd, der Hessischen Landesregierung hier vorzuwerfen, wir nähmen Bürgerinitiativen nicht ernst. Niemand versucht hier, Klagerechte zu beschränken, niemand versucht, die Bürgerinitiativen zu beschneiden oder irgendjemanden an seiner freien Meinungsäußerung zu hindern. Ganz im Gegenteil: Die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger im Planungsprozess in Verwaltungsverfahren ist so ausgeprägt und vor allem auch so niedrigschwellig wie nie zuvor.
Zusätzlich zu diesen Verwaltungsverfahren setzt sich die Landesregierung für noch bessere Bürgerbeteiligung ein. Bürgerinitiativen werden angehört, in Verfahren einbezogen und sind politisch präsent. So sieht es bei dem Punkt Bürgerbeteiligung in Hessen nämlich wirklich aus.
Mit viel Aufwand organisiert die Landesenergieagentur, LEA, Dialogveranstaltungen, um zwischen den Befürwortern für Windkraft und den Windkraftgegnern zu vermitteln, um Faktenpapiere zu verbreiten, in denen Aufregerthemen aufgegriffen werden und in denen Infraschall, Landschaftsbild, Sicherheit, Tourismus, Umweltschutz usw. dargestellt werden, um einfach eine sachliche Debatte zu ermöglichen.
Für uns ist ganz klar: Bürgerbeteiligung kann Projekte vor Ort verbessern, indem z. B. Bedenken durch bessere Ortskenntnisse aufgenommen werden. Dadurch kann beispielsweise die Anordnung von Standorten verbessert werden. Man sieht auch: Einwendungen in Verwaltungsverfahren sind derzeit so beliebt wie nie zuvor. Das spüren auch die Regierungspräsidien, die dadurch viel Arbeit haben. Aber das kann für die Sache, wenn sie sachlich nützlich sind, durchaus einen großen Mehrwert bringen. Deshalb ist es vielen Windkraftprojektierern schon im Vorfeld wichtig, mit den Bürgerinitiativen ins Gespräch zu kommen.
Auch das Klagerecht, insbesondere das Verbandsklagerecht, bleibt von uns natürlich unangetastet. Wir GRÜNE sind übrigens diejenigen, die schon lange Zeit dafür kämpfen, dass das auch für unterschiedliche Gruppen ausgeweitet wird. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die FDP sich da wahrnehmbar in diese Diskussion eingemischt hätte.
Die Bundes-FDP scheint im Übrigen auch eine ganz andere Meinung zu haben als Sie, Herr Rock, was die Bürgerbeteiligung und die Wahrnehmung von demokratischen Grundrechten angeht. Der FDP-Fraktionsvize Michael Theurer fordert nämlich, dass es eine kritische Evaluation des Verbandsklagerechts geben muss; auch im Zusammenhang mit der DUH, also der Deutschen Umwelthilfe, hat er gesagt: „Die Abmahn- und Klageindustrie muss auf ein vernünftiges Maß geschrumpft werden.“
Das klingt nicht nach einer Bürgerbeteiligung. Das genau zeigt auch das Dilemma Ihres Antrags. Natürlich dürfen Sie Respekt für Willensäußerung fordern. Aber dann muss das auch für diejenigen gelten, die nicht Ihre eigenen Ziele unterstützen.
Den Appell sollte man dann nämlich auch ernst nehmen, wenn es um „Fridays for Future“ geht oder um andere Bürgerinitiativen oder Interessengruppen.
Was Christian Lindner dazu gesagt hat, war wirklich nicht von großem Respekt geprägt. Wenn Sie schon davon sprechen, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen, dann nehmen Sie doch einmal die Sorgen der Menschen ernst, die Woche für Woche für den Klimaschutz und die Energiewende auf die Straße gehen und mehr Klimaschutz und mehr Energiewende statt weniger wollen.
Dann sind wir auch schon beim eigentlichen Thema der FDP. Denn mal wieder geht es der FDP in dem Antrag darum – das eigentliche Thema –, die Windkraft in Hessen zu verhindern. Für dieses wird aber ein ganz anderes Thema, in diesem Fall die bedrohte freie Meinungsäußerung, instrumentalisiert.
Erst war es für die FDP die vollkommen neue Anteilnahme am Wald, die aber immer nur dann aufkommt, wenn es darum geht, Windkraftanlagen zu verhindern, und nicht dann, wenn es darum geht, den Lebensraum Wald auszuweiten. Jetzt kommen die Bedenken, dass die freie Meinungsäußerung in Gefahr sei.
Sprechen Sie einfach klar aus, worum es Ihnen geht. Sagen Sie, dass Sie im Grunde keine Windkraft im Wald wollen. Lassen Sie dafür nicht die Meinungsfreiheit herhalten.
Herr Rock, an dieser Stelle könnte man auch einmal über das Gestalten und Durchführen der Energiewende reden. Da würde ich schon ganz gern einmal wissen, wie die FDP sich die Energiewende der Zukunft überhaupt vorstellt. Denn zu diesem Thema herrscht wieder einmal gähnende Leere in Ihrem Antrag. Auch in Ihrer Rede eben gab es dazu keine Aussage.
Wie sieht es denn aus mit der Akzeptanz für die Energiewende in Hessen oder in Deutschland? – Über 90 % der Bevölkerung in Deutschland unterstützen den verstärkten Ausbau von erneuerbaren Energien. Es sind 91 %.
Obwohl die überwiegende Mehrheit der Menschen für die Energiewende ist, gibt es vor Ort Diskussionen über die konkreten Planungen, übrigens nicht nur bei Windkraftprojekten, sondern durchweg bei allen Infrastrukturprojekten. Explizit bei der Windkraft werden sowohl genehmigte Windkraftprojekte als auch die nicht genehmigten Windparks beklagt. Grundlage für die Klagen sind ausschließlich naturschutzfachliche Gründe. Das wundert mich schon, dass gerade die FDP sich als oberster Schützer der Flora und Fauna zeigt, aber gleichzeitig mehr Straßen, weniger Flächenstilllegung im Wald oder weniger Ökolandbau fordert.
Um die naturschutzfachlichen Grundlagen der Genehmigungsverfahren klarer und besser zu gestalten, wird der Naturschutzleitfaden für Windkraftprojekte gerade überarbeitet. Dafür sitzen die Naturschutzverbände und die Projektierer zusammen und überlegen gemeinsam, wie dieser Leitfaden weiterentwickelt werden kann.
Sie prüfen, wie die Abwägung mit den durchaus schwierigen Themen Naturschutz und Klimaschutz – dazu gehört auch gleichzeitig Artenschutz – gelingen kann. Nach allem, was man hört, ist das eine sehr konstruktive Zusammenarbeit.
Wir werden Bürgerbeteiligung weiter ermöglichen, den Naturschutz weiterentwickeln, und auch die Regelungen zur kommunalen Beteiligung wollen wir anpacken.
Insgesamt kann man also sagen, das Land macht seine Hausaufgaben, die Bürgerinnen und Bürger können ihre Bedenken und ihre Zweifel äußern. Sie können sich ins Verfahren einbringen, und am Ende wird auf fachlicher Basis entschieden.
Noch eine Anmerkung zur Punkt 3 Ihres Antrags. Sie schreiben, „dass die Digitalisierung dazu beiträgt, dass Bürgerinnen und Bürger unabhängige Informationen gewinnen und verbreiten … können“. Das liest sich so, als ob es vor dem Internet keine Möglichkeit gegeben hätte, an unabhängige Informationen zu gelangen. Das halte ich schon für eine sehr steile These. Ob das Internet tatsächlich in allen Fällen ein Gewinn als differenzierte und unabhängige Informationsquelle ist, dahinter will ich ein dickes Fragezeichen machen.
Zum Schluss will ich noch ein paar Worte zu der Debatte in Berlin sagen. Diese Aussage teilen wir ausdrücklich nicht. Es ist eine stark überspitzte Einzelaussage, die über das Ziel hinausgeschossen ist. Da haben wir auch die Größe, das zu sagen.
Mit überspitzten Aussagen, die über das Ziel hinausschießen, hat die FDP auch Erfahrung. Wenn Ihre Kollegen in Berlin beispielsweise die DUH als „Ökoinquisition“ bezeichnen, dann ist das mindestens genauso daneben wie die Aussage des Kollegen Krischer.
Das nehmen wir auch nicht als Aufhänger, um daraus einen Antrag für Hessen zu machen, lieber Herr Rock. Wir wollen eine sachlich geführte Diskussion mit allen Beteiligten, mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Unternehmen, mit dem Naturschutz und mit dem Klimaschutz, und die berechtigten Sorgen der Gesellschaft ernst nehmen. Die Forderungen des überwiegenden Teils der Gesellschaft nach mehr Klimaschutz, nach mehr Energiewende wollen wir weiter umsetzen. Dafür arbeitet diese Landesregierung. – Vielen Dank.
Herrn Büger, der sich eben noch einmal zu Wort gemeldet hatte, ist die Debatte offenbar völlig egal, weil er schon wieder den Saal verlassen hat. Er hat offensichtlich schon vorher nicht richtig zugehört; denn er konnte mir nicht darlegen und nicht beweisen, wo eine Einschränkung der Meinungsfreiheit stattfindet.
Es findet nämlich keine solche Einschränkung statt. Bürgerinitiativen können sich zu Wort melden. Sie können alles sagen, was sie wollen. Herr Al-Wazir hat hier einen besonders krassen Fall einer Meinungsäußerung vorgetragen, die die Grenzen weit überschreitet. Es wird aber niemand daran gehindert, seine Meinung zu äußern. Auch Sie nehmen dieses Thema Plenum für Plenum wieder auf die Tagesordnung. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen zu Versammlungen von Bürgerinitiativen gehen, aber ich will Ihnen sagen: Bürgerinitiativen sind nicht zimperlich bei ihren Meinungsäußerungen. Wenn es Ihnen wirklich um eine angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit geht, dann legen Sie doch einfach einmal konkrete Fälle dar; denn das, was Sie bisher tun, ist einfach nur eine Form der Instrumentalisierung einer Behauptung.
Wenn wir inhaltlich über die Energiepolitik sprechen, dann möchte ich an Ihre Wirtschaftskompetenz appellieren, die Sie zu haben vorgeben, liebe Kollegen von der FDP. Selbst die Wirtschaft, die Unternehmen und selbst der BDI, der wirklich keine grüne Organisation ist, fordern mehr Engagement für den Klimaschutz, mehr Energiewende, nicht weniger. Ich weiß nicht, wessen Interessen Sie hier vertreten, liebe Kollegen von der FDP, aber die der Wirtschaft sicherlich schon lange nicht mehr.
Zur AfD kann man nur sagen: Die AfD hat ein neues Thema gesucht und die Umweltpolitik für sich entdeckt. Das Thema Migration ist nicht mehr so präsent, und deshalb suchen Sie ein neues Aufregerthema. Sie haben sich an die Spitze der Anti-Öko-Bewegung gesetzt.
Herr Lichert, Sie haben hier den gleichen Vortrag gehalten wie schon in den letzten Monaten. Sie haben wissenschaftliche Thesen aus dem Zusammenhang gerissen, haben sie wild zusammengewürfelt, sodass nur etwas Falsches dabei herauskommen konnte. Das ist nicht redlich und entspricht nicht dem wissenschaftlichen Kenntnisstand.
Eine weit verbreitete Haltung in diesem Hause ist, dass alles anders werden muss, dass sich aber nichts ändern darf. Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis: Es ändert sich ohnehin immer alles. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen. Die Frage, wie wir damit umgehen, beantwortet die Hessische Landesregierung ganz klar: Wir sind für eine Energiewende, und wir sind für den Ausbau erneuerbarer Energien. Wir können gerne über das Wie diskutieren, aber nicht über das Ob.
Auszug aus dem Plenarprotokoll der 28. Sitzung, S. 2200 – 2201 und S. 2215
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