28.02.2019 – Plenum
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Rock, Sie haben mehr Sachlichkeit in der Debatte angemahnt. Der Bitte komme ich nach dem Beitrag von Herrn Lichert gerne nach.
Wenn wir über die Energiewende diskutieren, dann kommen wir nicht darum herum, erst einmal über die Klimakrise zu sprechen, nämlich darüber, welche Auswirkungen die Klimakrise auf Milliarden von Menschen hat, wie sie Lebensräume verändert und wie sie das komplette Ökosystem durch Extremwetterereignisse wie Hitzesommer, Überschwemmungen und Stürme verändern wird.
Herr Rock, Sie hatten eben von Werteverlusten bei Immobilien gesprochen. Warum zählt denn dann für Sie nicht auch der Werteverlust, der genau durch diese Extremwetterereignisse hervorgerufen wird?
In den letzten Jahren wurde glasklar, dass entschlossenes Handeln notwendig ist, um unseren CO2-Ausstoß zu reduzieren. Die größten CO2-Emissionen in Hessen kommen aus dem Verkehrssektor. Deshalb ist auch erst einmal die Veränderung der Mobilität grundlegend. Wir brauchen mehr ÖPNV, wir brauchen mehr emissionsarmen Individualverkehr und vor allem mehr Fahrrad- und Fußwege.
Hier sind wir in Hessen schon sehr erfolgreich, aber das ist und bleibt eine Mammutaufgabe auf allen Ebenen. Ein weiterer, sehr großer Anteil von CO2-Emissionen entsteht bei unserer Energieerzeugung. Deshalb brauchen wir die Energiewende. Wir brauchen den Ausbau von erneuerbaren Energien und den Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung.
In Hessen stehen wir mittendrin in dieser Transformation des Energiesystems. Das wird auch ganz deutlich sichtbar. Wir haben auf der einen Seite die sogenannte alte Welt, also zentrale und konventionelle Großkraftwerke, die viel CO2 ausstoßen. Auf der anderen Seite ist sozusagen die neue Welt, kleine dezentrale Erzeugungsanlagen aus Windkraft, aus Wasserkraft, aus Solarenergie, die es vielen Menschen ermöglichen, sowohl Erzeuger als auch gleichzeitig Verbraucher von Strom zu sein.
Diese Veränderung hat natürlich Auswirkungen auf alle Bereiche. Die Energieerzeugung war früher weit weg von uns und wird jetzt sichtbar. Sie passiert vor unserer Haustür, sie passiert in unserer Landschaft, auf unserem Dach. Die Errichtung von Erneubare-Energien-Anlagen richtet sich nicht nur danach, wo der Strom benötigt wird, sondern auch danach, wo er am effektivsten produziert werden kann. Deshalb kommt auch dem Stromtransport eine größere Bedeutung zu. Wir diskutieren ja gerade auch in Hessen über den Verlauf von Stromtrassen. Die Leitungen Ultranet und SuedLink z. B. sollen gebaut werden, um den Strom aus dem Norden, wo er sehr effizient erzeugt werden kann, in den Süden zu transportieren – nach Bayern und Baden-Württemberg, wo viel Energie verbraucht wird und wo vor allem in den nächsten Jahren auch durch den Atomausstieg viel Kapazität vom Netz geht.
Die Hessische Landesregierung setzt sich dafür ein, dass die Planung der Ultranet-Leitung, die durch den Rheingau- Taunus- und den Main-Taunus-Kreis gehen soll, dafür genutzt wird, die Verschwenkung der bestehenden Trasse zu erreichen. Die Ultranet-Leitung soll also auf den Masten einer schon vorhandenen Trasse gespannt werden. Das muss jetzt auch dafür genutzt werden, um den Verlauf dieser Trasse von der Bebauung abzurücken, um damit die Menschen zu entlasten. Das wäre nämlich eine Win-win- Situation und würde die Akzeptanz vor Ort erheblich verbessern, und dafür setzen wir uns ein.
Letzte Woche wurde außerdem bekannt, dass die Gleichstromtrasse SuedLink durch Hessen, genauer gesagt, durch den Werra-Meißner-Kreis, führen soll. Das hat alle sehr überrascht, weil die zuständige Bundesnetzagentur bis vor Kurzem noch die Variante, die durch Thüringen lief, favorisiert hat. Klar ist, dass der Trassenverlauf am Ende aufgrund von fachlichen Kriterien entschieden werden muss und die geringsten Auswirkungen auf Mensch, auf Natur und auf die Umwelt haben darf. Dazu gehört auch die Berücksichtigung von regionalen Besonderheiten, z. B. Soleheilquellen im Untergrund. Nur wenn das auch berücksichtigt wird, findet eine solche Trasse Akzeptanz.
Deshalb werden wir den Verlauf der Trasse ganz genau überprüfen, uns dafür einsetzen, dass die verträglichste und die effizienteste Variante umgesetzt wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, unsere Energiepolitik zielt darauf ab, dass wir die Emissionen reduzieren, dass wir die Versorgungssicherheit gewährleisten und natürlich auch dass die Bezahlbarkeit dazu in einen guten Ausgleich gebracht wird. Seit wir GRÜNE in Hessen mitregieren, wird nicht mehr über das Ob der Energiewende gestritten, sondern darüber, wie wir die Energiewende umsetzen.
Wir sind großer Fan des europäischen Emissionshandels. Wir sehen gerade, dass dieser zu wirken beginnt. Der Markt macht genau, was er soll und was übrigens die FDP fordert: Er reguliert sich selbst. Also: Erste Windkraftanlagen gehen völlig ohne Förderung ans Netz und produzieren Strom. Auf der anderen Seite fallen sehr viele Windkraftanlagen ab 2020 aus dem System der Einspeisevergütung und werden trotzdem weiter Strom produzieren. Das zeigt auch: Wir müssen das EEG überhaupt nicht abschaffen, sondern es funktioniert so gut, dass es sich selbst bald überflüssig gemacht haben wird und dass die erneuerbaren Energien konkurrenzfähig sind.
Der Markt funktioniert, und auch die Gaskraftwerke würden durch eine ordentliche CO2-Bepreisung rentabel werden. Da brauchen wir keine planwirtschaftlichen Ansätze, wie Sie in Ihrem Antrag formuliert haben, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP. Der freie Markt, den Sie immer als Fetisch vor sich hertragen, ist schon wesentlich weiter, als Sie in Ihrem Antrag fordern.
Wir haben in Hessen ein einziges großes Kohlekraftwerk, das enorme Auswirkungen auf unsere CO2-Emissionen hat. Die Stilllegung der Blöcke 1 bis 3 des Kohlekraftwerks Staudinger hat in den Jahren 2012 bis 2014, ohne dass die FDP irgendetwas dazu getan hätte, zu einem großen Rückgang von CO2-Emissionen in Hessen geführt. Das ist absolut kein klimapolitischer Erfolg der FDP gewesen.
Ganz im Gegenteil: Ihr FDP-Minister Rentsch wollte damals den klimaschädlichsten Block 1 von Staudinger mit aller Gewalt am Netz belassen. Zum Glück hat sich Frau Puttrich damals als Umweltministerin durchgesetzt. Aber wäre es nach Ihnen und nach der FDP gegangen, wären Sie jetzt für wesentlich höhere CO2-Emissionen in Ihrer Regierungszeit verantwortlich.
Als der havarierte Block 5 des Kohlekraftwerks Staudinger 2015 wieder in Betrieb genommen wurde, sind die Emissionen im Energiebereich um 20 % gestiegen. Meine Schlussfolgerung daraus ist nicht, dass wir weniger Ausbau bei den erneuerbaren Energien haben, sondern – ganz im Gegenteil – dass wir den Kohleausstieg konsequent und zielstrebig umsetzen müssen. Dann brauchen wir natürlich die Erzeugungsanlagen. Sie dürfen nicht durch den Import von anderen konventionellen Energien ersetzt werden, sondern es muss eine konsequente Einsparung von Energie, Steigerung der Energieeffizienz und einen konsequenten Ausbau der Erzeugung von erneuerbaren Energien geben.
Ein weiterer Punkt, der den CO2-Ausstoß beeinflusst, ist die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Hier haben wir in den letzten fünf Jahren unter einem grünen Wirtschaftsminister eine wesentlich bessere wirtschaftliche Entwicklung als in den letzten sechs Jahren gehabt. Aber klar ist auch, dass wir uns sehr anstrengen und die wirtschaftliche Entwicklung vom Energieverbrauch abkoppeln müssen. Darin liegt der Schlüssel zur Energiewende und zur gesamten Transformation der Wirtschaft; denn dort ist eine enorme Steigerung der Effizienz notwendig.
Das haben wir auch schon erreicht. Die Treibhausgasemissionen, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, sind um 23 % rückläufig. Der Trend zur Entkopplung ist ganz klar deutlich. Aber wir müssen noch mehr tun; das werden wir auch, z. B. durch das Maßnahmenpaket der Roadmap Energiewende oder durch das Programm zur energetischen Gebäudesanierung.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen die Energiewende. Wenn wir einmal ehrlich sind, können wir festhalten: Sie ist schon da. Städte errichten Wärmenetze, Kommunen stellen ihre Straßenlaternen auf LED um. Gebäude werden energetisch saniert. Über 100 Kommunen in Hessen sind Klimakommunen. Genossenschaften werden gegründet, um an der Energiewende teilzuhaben. Unternehmen investieren darüber hinaus in Energieeffizienzmaßnahmen.
Die Energiewende passiert in Hessen. Sie ist auch eine Graswurzelbewegung. Wir werden sie stärken; das ist unsere Aufgabe. – Vielen Dank.
Auszug aus dem Plenarprotokoll der 7. Sitzung, S.425-427
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