01.03.2018 – Plenum
Hier könnt ihr das Video zu meiner Rede sehen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Lenders, ich finde es sehr begrüßenswert, dass Sie heute dieses Thema zur Aktuellen Stunde festgelegt haben. Ich begrüße dies allerdings aus einem anderen Anlass: Wir feiern am 4. März, am kommenden Sonntag, den Internationalen Tag des freien Sonntags, der auf das Jahr 321 zurückgeht, als der römische Kaiser Konstantin den Sonntag zum Feiertag erklärte. Das ist aus meiner Sicht ein guter Anlass, über dieses Thema zu sprechen.
Nach wie vor ist der Schutz des Sonntags ein wichtiges Gut und muss durch Gesetze gewährleistet werden. Denn in unserer beschleunigten Gesellschaft ist es wichtig, dass man zur Ruhe kommt, dass Zeit mit der Familie verbracht werden kann. Deshalb finden wir GRÜNE es richtig, den Sonntagsschutz so streng zu handhaben, insbesondere auch zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, meine Damen und Herren.
Natürlich ist das auch durch die Verfassung gewährleistet. Dass dieser Schutz durch die Verfassung nach wie vor gilt, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Berliner Ladenöffnungsgesetz auch bestätigt, und zwar nicht nur aus Gründen der Religionsausübung, sondern vor allem zur Arbeitsruhe, und um das soziale Zusammenleben zu ermöglichen und zu sichern.
Ich zitiere aus der Entscheidung: Die ausnahmsweise Öffnung muss „im öffentlichen Interesse“ liegen. Danach ist ein öffentliches Interesse solchen Gewichts zu verlangen, das die Ausnahmen von der Arbeitsruhe rechtfertigt. Dazu genügen das alleinige Umsatz- und Erwerbsinteresse aufseiten der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche Shoppinginteresse auf der Kundenseite nicht.
Damit ist der verfassungsrechtliche Rahmen klar.
Verschiedene Bundesländer haben jetzt den Anlassbezug aus ihrem Ladenöffnungsgesetz gestrichen und durch einen sogenannten Sachgrund ersetzt. Sachgründe sind dabei beispielsweise die Belebung der Innenstädte oder städtebauliche Ziele.
Wir sehen diese Werte „Belebung der Innenstädte“ oder „städtebauliche Ziele“ ebenfalls und unterstützen sie. Dazu trägt beispielsweise das Programm „Stadtumbau in Hessen“ des Umweltministeriums erheblich bei. Das stärkt den Einzelhandel mehr, als es die sonntäglichen Öffnungszeiten machen.
Aber solche Sachgründe gegen den Sonn- und Feiertagsschutz und gegen den Schutz der Familie aufzuwiegen, halten wir für falsch. Wir werden beobachten, wie die Gerichte in NRW diesen Weg bewerten. Für uns ist aber auch unabhängig davon klar: Wir werden den Sonntag schützen und ihn nicht zu einem Tag wie jeden anderen werden lassen.
Wir GRÜNE sehen aber auch die Diskussion, die es in den vergangenen Monaten um die verkaufsoffenen Sonntage gab. In einigen Kommunen ist die Sonntagsöffnung an Klagen der Gewerkschaften und der Kirchen gescheitert, weil der enge Zusammenhang zu einem besonderen Anlass nicht immer klar zu erkennen war.
Wenn geplante Öffnungszeiten kurzfristig abgesagt werden müssen, weil sie gerichtlich untersagt werden, dann ist das ohne Zweifel eine ärgerliche Situation, und zwar für alle Beteiligten – für den Einzelhandel, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich darauf eingestellt haben, deren Familien und die Konsumenten und natürlich auch die Kommune.
Es muss also in dem jetzt laufenden Evaluationsverfahren genau geprüft werden, welche Regelungen funktionieren, wie hoch die Rechtssicherheit ist und ob die Regelungen wirksam sind bzw. – wenn nicht – wie Sie wirksam verbessert werden können.
Auch das Thema der Rechtsdurchsetzung wird in diesem Zuge geprüft. Denn wir dürfen nicht vergessen, es gibt noch immer verkaufsoffene Sonntage, über die man sich geeinigt hat. Nur sind die eben nicht so groß in der Presse wie diejenigen verkaufsoffenen Sonntage, die kurzfristig abgesagt werden müssen, weil sie beklagt werden.
Es gibt also in unserer Gesellschaft unterschiedliche Auffassungen über den Sonntagsschutz, und darüber brauchen wir einen gesellschaftlichen Kompromiss. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir diesen jetzt auch finden werden und dass uns das jetzt begonnene Evaluationsverfahren darüber Aufschluss geben wird, wie es mit der Rechtssicherheit des Ladenöffnungsgesetzes bestellt ist und wie wir das Gesetz verbessern können. – Vielen Dank.
Auszug aus dem Plenarprotokoll der 131. Sitzung, S. 9381
Dieses Thema wurde zuvor in der 120. Sitzung am 23.11.2017 behandelt.
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