von Kai Klose und Kaya Kinkel
Adam Smith und externe Effekte
Umweltprobleme wie Klimawandel, Ressourcenknappheit oder Abfall haben ihre Ursachen häufig in unserer Wirtschaftsweise. Die Natur verlor historisch immer mehr an “Wert“, je weiter sich die Ökonomie zu einer eigenständigen Wissenschaft entwickelte. Im 18. Jahrhundert schuf Adam Smith das Konzept der „Invisible Hand“, demzufolge das Zusammenspiel eigennützig handelnder Individuen auf dem Markt zu einer Wohlfahrtsmaximierung aller führt.
Diese These hält sich hartnäckig. In einer Welt mit begrenzten Ressourcen und Gütern, die niemandem gehören, bildet diese Theorie die Realität allerdings nicht ab: Das Individuum steigert seinen Nutzen durch den Konsum von Gütern. Diese Güter werden aber durch den Einsatz von Ressourcen produziert und diese Herstellung hat externe Effekte.
Der Wert der Natur
Der Kern und die gleichzeitige Genialität unserer neoklassischen Wirtschaftsweise ist der Preis, der sich aus der individuellen Zahlungsbereitschaft ergibt. Der Preis ist also der Gebrauchswert: Er bemisst sich daran, wie nützlich ein bestimmtes Gut zu einer bestimmten Zeit für eine bestimmte Person ist. Wird ein Gut knapper, steigt der Preis und Konsumenten suchen sich ein einen Ersatz für das ursprüngliche Gut.
Das dieser Theorie innewohnende Problem ist heute offensichtlich: Der Natur hat keinen Preis. Sie gehört niemandem und damit ist sie kostenlos. Faktisch sind aber die Dienstleistungen, die wir von der Natur erhalten, unglaublich wertvoll. Ein simples Beispiel ist insektenbasierte Bestäubung: Bienen, die Obst und andere Blüten bestäuben, erzeugen dadurch geschätzt einen Wert von etwa 190 Milliarden US-Dollar – das entspricht einem Anteil von rund 8% des weltweiten Ertrags durch Landwirtschaft! Für diese Dienstleistung zahlt allerdings niemand. In keiner Kosten- oder Leistungsrechnung taucht dieser Wert auf, obwohl sie eine Grundlage unserer Landwirtschaft und Lebens ist. Das derzeitige Bienensterben richtet dennoch einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden an.
Der Marktwirtschaft fehlen sowohl die Preise für Naturgüter als auch für das individuelle Wohlbefinden der Menschen.
Damit wird eine wichtige Aufgabe der Politik deutlich: Es müssen geeignete ökonomische Rahmenbedingungen gesetzt werden, damit der Verbrauch von Naturgütern nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch verträglich ist.
Die amtierende Bundesregierung berücksichtigt Umwelt nur, wenn sie wirtschaftsrelevant wird: Energie- und Ressourceneffizienz (und selbst dort mit nur spärlichen Erfolgen) sind Grundprinzipien, denen kein Unternehmer widerspricht, da sie gleichzeitig zu Kosteneinsparungen führen. In vielen Bereichen wird vollständig von staatlichen Eingriffen abgesehen, da der Markt angeblich nur selbst das optimale Gleichgewicht findet.
Eine gesamtwirtschaftliche Veränderung, nach der der Wert der Natur völlig neu gedacht wird, ist allerdings nicht in Sicht. Dabei ist es dringend notwendig, eine Veränderung herbeizuführen damit nicht weiterhin nur der Nutzen des Flughafenbetreibers, die Arbeitsplätze der Steinkohleindustrie in Deutschland (deutsche Steinkohle ist schon seit Jahren nur noch durch Subventionen konkurrenzfähig) oder das Bruttoinlandsprodukt im Vordergrund stehen Ebenso wichtig ist es auch, das, was bisher noch nicht in Zahlen messbar ist, wie zum Beispiel Zufriedenheit, Glück, Familie und Engagement zu berücksichtigen.
Gemeinsam mit Kai Klose entstand der Artikel über den Wert der Natur. Kai Klose ist Mitglied des Hessischen Landtags und zuständig für den Bereich Wirtschaftspolitik. www.kai-klose.de
Liebe Kaya, lieber Kai,
auch wenn ich euer Argument nach Internalisierung der externen Effekte unterstütze und für sehr wichtig halte – alles sollte sich nicht den ökonomischem Vergleich des Marktes stellen müssen. Denn das ist sowohl der Segen als auch der Fluch des Marktes: dass er alles mit allem vergleichbar macht. Welchen Wert hat denn Biodiversität für die Menschheit? Lässt er sich nur auf den konkreten Nutzen oder die Zahlenbereitschaft von Menschen reduzieren? Instrumente wie REDD+ stehen genau deshalb unter Kritik, weil sie im Namen des Klima- und Biodiversitätsschutzes den Regenwäldern ein Preisschild anheften – und damit nach außen suggerieren, dass den lokalen Bewohnern der Hektar Wald genauso viel bedeutet wie 15 Tonnen CO2 dem Klimaschutz propagierenden Unternehmen.
Um eine Abwägung zwischen verschiedenen Umweltgütern zu treffen, braucht es in erster Linie demokratische Entscheidungen und erst im Nachhinein Effizienz erzeugende Märkte. Die Werturteile, die im Umweltschutz getroffen werden müssen, sollten wir nicht nur den anonymen Marktteilnehmern überlassen. Manchmal reicht es schon, den Nutzungsregeln der lokalen Gemeinschaft mehr Rechtskraft zu geben, wie die Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom gezeigt hat.
Anstatt zu fragen, wie wir ökologische Werte in der Sprache der Ökonomie ausdrücken könnten, sollten wir eher fragen, welche andere Sprache die Wichtigkeit ökologischer Dienstleistungen und den Eigenwert der Natur besser ausdrücken kann. Diese Sprache sollten wir so oft wie möglich öffentlich verwenden – und nur in den Fällen, in denen wir anders nicht gehört werden, umweltökonomische Argumente verwenden. Sie stellen nur ein Instrument unter vielen dar, dessen Einsatz manchmal sinnvoll sein kann, dessen Verwendung aber unter demokratischen Vorbehalt steht.
Hallo Daniel,
die Kritik, die an dieser Methode geübt wird kenne ich und kann die Befürchtungen auch nachvollziehen. Zugespitzt wird ja häufig davon gesprochen, mehr und mehr Naturgüter würden zukünftig an der Börse gehandelt werden und dadurch stehe nicht mehr der Wert für die Natur, sondern der Wert für den Menschen im Vordergrund.
Was mich dennoch dazu bewegt, für eine „Bepreisung“ der Natur zu schreiben ist folgende Erkenntnis:
Unsere Gesellschaft ist geprägt von Ökonomie, egal wie wir es drehen und wenden. Das, was nicht im ökonomischen System abgebildet ist, sind nunmal Dinge ohne Preise (oder ohne Eigentumsrechte) – für die Gesellschaft zwar unheimlich wichtig, in der Ökonomie aber irrelevant. Der offensichtlichste Weg ist deshalb, den Dingen die wichtig sind einen Preis oder einen Eigentümer zu geben.
Die Ausgestaltung der Bepreisung ist wichtig und zugegeben, dazu gibt es noch keine konkreten Ideen. Und klar kann eine Preisschild nie den tatsächlichen Wert, sondern immer nur einen subjektiven Wert abbilden. Aber der Wert der Natur ist ein Anfang, mit dieser auch wertvoll umzugehen.
Im zweiten Absatz gebe ich dir vollkommen Recht – ein Wert ersetzt nicht vollständig die notwendigen ordnungsrechtlichen Maßnahmen die getroffen werden müssen, um Natur zu schützen.
„Anstatt zu fragen, wie wir ökologische Werte in der Sprache der Ökonomie ausdrücken könnten, sollten wir eher fragen, welche andere Sprache die Wichtigkeit ökologischer Dienstleistungen und den Eigenwert der Natur besser ausdrücken kann.“
Ökonomische Mechanismen sind so wirkungsvoll, weil sie auf typisch menschlichen Verhaltensstrukturen basieren. Einen effektivere Rahmen kann ich mir nicht vorstellen.